Offene Beziehung ohne totale Offenheit – kann das gutgehen?

Nicht jeder Mensch will monogam leben, auch wenn er in einer Beziehung ist. Allerdings muss man bedenken, dass selbst körperliche Liebe, die man außerhalb einer Beziehung gibt und empfängt, den eigentlichen, zurückgelassenen Partner nicht nur kränken, sondern sehr stark leiden lassen kann, wenn er nicht selbst von der Idee der offenen Beziehung begeistert ist.

Das erzeugt für beide Partner durchaus einen Leidensdruck, sowohl für den, der den anderen vollkommen für sich haben will wie für denjenigen, der zumindest in körperlicher Hinsicht mehr Freiheit wünscht – und nicht wenige Beziehungen zerbrechen nach mehr oder weniger langem Liebeskummer an diesem kapitalen Unterschied.

Bevor es allerdings so weit kommt, hat man immer noch Optionen, dem Freiheitsdrang des Partners mehr Raum zu geben, auch ohne dass dieser dazu tatsächlich in eigener Abwesenheit mit anderen Partnern schlafen darf. Probieren sollte man die nachfolgend gelisteten Optionen definitiv, denn jede Beziehung lebt von Kompromissen. Und bevor man eine Liebe „wegwirft“ sollte man zunächst alle Lösungsmöglichkeiten probieren.

  1. Ein Dreier

Wenn von offenen Beziehungen die Rede ist, dann ist damit bei der überwältigenden Mehrheit der Fälle außerhalb der Beziehung nur Sex gemeint – sonst würden wir bereits von Polyamorie sprechen und dabei handelt es sich um eine völlig anders gelagerte Problemstellung, bei der die hier aufgezeichneten Lösungswege nichts brächten.

Wir halten fest: Es ist also „nur Sex“. Der gesamte gefühlsmäßige Part der Liebe bleibt auch beim Partner, der gerade mit jemand anderem schläft, auf seinen eigentlichen Partner fokussiert und ist durch den Sex in keiner Weise gefährdet. Ja, das geht, Menschen, die darauf stehen, können tatsächlich im Kopf eine funktionierende Grenze zwischen Sex und Liebe aufziehen, auch wenn das für Außenstehende schwer zu verstehen sein mag.

An diesem Punkt sollte man sich fragen, was genau einen an dem Wunsch nach Offenheit stört:

  • Die generelle Tatsache, dass der Partner Sex mit anderen haben möchte?
    oder
  • Die Tatsache, dass es sich um Sex mit anderen in Abwesenheit des Partners handelt?

Wer sich nur bei der Vorstellung sträubt, dass der Partner abends loszieht und irgendwo mit irgendwem schläft, der könnte natürlich ganz einfach diesen Abwesenheits-Part beseitigen.

Das bringt uns zum flotten Dreier. Der Partner darf zwar auch mit jemand anderem Sex haben, aber nur, wenn der eigentliche Partner mit von der Partie ist. Und entgegen der Lehre, die uns die Pornoindustrie vermittelt, bedeutet das nicht, dass dazu jeder mit jedem müsste.

Als Beispiel: Wenn der männliche Part eine offene Beziehung wünscht und seine Partnerin erlaubt, eine weitere Frau mit ins Spiel zu bringen, bedeutet das nicht, dass beide Frauen während des Liebesspiels zwangsläufig gleichgeschlechtliche Zärtlichkeiten austauschen müssten. Auch wenn dieser Dreier streng heterosexuell bleibt, gibt es genügend Mittel und Wege. Wichtig ist nur, dass alles was geschieht im Konsens stattfindet und auch alle Beteiligten Spaß am Sex haben. Womöglich ist der erste Dreier auch die perfekte Gelegenheit, um neue Dinge auszuprobieren.

Möchte man natürlich grundsätzlich nicht, dass der Partner Sex mit anderen hat, muss man andere Optionen probieren.

  1. Der heiße Draht

Das bringt uns zu den zahllosen Möglichkeiten, die uns die moderne Kommunikation beschert. Denn klar ist, dass es via Telefon, Webcam und entsprechende Seiten heute problemlos möglich ist, „Sex“ mit anderen zu haben, ohne dass sich dabei zwei Menschen körperlich nahe sein müssten.

Konkret geht es um Telefonsex privat mit Cam nach dem Motto „Bei Anruf Sex“. Der Partner darf von zuhause aus (und ggf. in Anwesenheit des anderen Partners) einen solchen Service nutzen – darf sich stimulieren lassen, darf dabei masturbieren.“

Für viele ist das ein tauglicher Kompromiss, mit dem beide Parteien gut leben können, denn es findet eben keine echte Körperlichkeit statt, die gesamte Aktion hat mehr etwas von einem interaktiven Porno – womit auch eifersüchtige Menschen deutlich besser zurechtkommen.

Übrigens wäre es eine erweiterte Variante, dass der Partner den Dienst nutzen darf, der andere aber nicht nur zugegen ist, sondern aktiv mitmacht. Das heißt, ihn dabei mit Händen, Mund oder Geschlechtsteilen befriedigt. An dieser Stelle verwischt wiederum die Grenze zum flotten Dreier.

  1. Appetitanreger

Warum will ein Mensch eine offene Beziehung? Für viele ist es dabei noch nicht mal so sehr der Sex, wie es das große Drumherum ist. Das Flirten, das Herzklopfen, der Kontakt mit einem fremden, aufregenden Menschen. Dass es dabei zum Geschlechtsverkehr kommt, ist oft nur das „Hauptgericht“.

Stellt sich die weitere Frage, ob es nun überhaupt notwendig ist, dass der Partner dieses Hauptgericht mit einer fremden Person gemeinsam genießt. Soll heißen, man kann ihm ja gestatten, dass er all das Flirten, das Ausgehen usw. durchaus genießt und sich draußen „Appetit holt“. Letzten Endes ist das Fremdflirten und das können viele mit ihrem Gewissen durchaus vereinbaren.

Dann aber muss er zu seinem festen Partner bekommen – wo er dann natürlich auch Sex bekommen sollte und zwar die leidenschaftliche Variante. In diesem Fall wird die Offenheit nur zu einem „Auswärts-Vorspiel“. Und auch damit können sich viele Menschen engagieren – wenngleich das Risiko besteht, dass es dem Partner mit Freiheitsdrang doch zu wenig ist.

  1. Hochwertiger Sex

Es gibt viele Gründe, warum jemand trotz Beziehung mit anderen schlafen möchte. Und bevor man auch nur eine der hier genannten Lösungen ausprobiert, sollten beide Partner erst einmal in einem offenen, ausgiebigen Gespräch klären, was dabei der Hintergrund ist.

Und vor allem der Partner mit Freiheitsdrang sollte dabei in sich hineinhorchen: Ist es wirklich der Wunsch, mit jemand anderem zu schlafen, der einen vom Partner wegtreibt? Oder ist es vielleicht nur die Tatsache, dass man sich erhofft, bei jemand anderem etwas zu bekommen, das man zuhause nicht erhält?

Ist nämlich das der Fall, wäre die offene Beziehung tatsächlich sogar eine Lüge dem Partner gegenüber. Denn er ist ja dann letztlich der Auslöser.

Das bedeutet:

  1. Beide Partner sollten unumwunden aussprechen, was sie in sexueller Hinsicht möchten.
  2. Der Partner mit monogamem Wunsch sollte überlegen, in wieweit das, was sein Gegenüber wünscht, mit seinen eigenen Vorstellungen vereinbar ist – vielfach sind es nämlich Dinge, die man nur deshalb zunächst ablehnt, weil man sie nicht kennt.
  3. Beide sollten versuchen, sich in der Mitte zu treffen.

Nehmen wir mal als Beispiel an, ein Mann möchte die offene Beziehung, weil er sich insgeheim wünscht, mit einer Frau Pegging zu betreiben (nicht mit Petting zu verwechseln) – dabei trägt die Frau einen Umschnalldildo (einen sogenannten Strap-On) und es werden im Bett einfach die Rollen getauscht. Vielleicht will er diesen Wunsch nur deshalb mit einer anderen ausleben, weil er sich sorgt, dass seine Partnerin das ablehnen würde.

In diesem Fall (und vielen anderen dazu) ist Offenheit der Schlüssel. Bedeutet, der andere Partner sollte überlegen, über seinen Schatten zu springen. Denn in den allermeisten Fällen wird das Mitmachen bei einer gewünschten Sexpraktik das „kleinere Übel“ gegenüber einem Partner sein, der diese Lust woanders bekommt – denn gerade in diesem speziellen Fall besteht das große Risiko, dass dabei auch Gefühle ins Spiel kommen.